HOLZHÄUSER STRASSE 73

13.05 – 03.07.2005

Zur Kunstgeschichte eines Ortes

»Holzhäuser Straße 73 – Zur Kunstgeschichte eines Ortes« – unter dieser Bezeichnung firmiert die zweite Sonderschau 2005. Dass eine Adresse einer Kunstausstellung den Titel gibt, deutet auf einen bemerkenswerten und beziehungsreichen Platz hin. Wer nun dahinter ein Haus mit wechselvoller Geschichte vermutet, der irrt. Die Holzhäuser Straße 73 im Leipziger Südosten bezeichnet ein Grundstück, auf dem das mehrstöckige Wohnhaus längst abgerissen ist und das über die Jahrzehnte hinweg von üppigem Grün überwuchert wurde. Ein verwunschener Ort zu jeder Jahreszeit. Der Weg zum Inneren des Areals wird von erstaunlichen Gebilden gesäumt und führt schließlich zum Atelier des bekannten Leipziger Künstlers Günther Huniat.

Seit den 60er Jahren wuchs nicht nur die Vegetation in jenem Garten, der zunehmend als »Stötteritzer Freiluftgalerie« bekannt wurde, sondern auch die Opulenz künstlerischen Schaffens. Angetrieben vom Treffen und gemeinsamen Aktionen mehrerer Künstler wurde die Adresse über die Jahre zum Schmelztiegel für kreative Ideen, die sogleich auf Umsetzung drängten. Erfindungen auf Papier, gezeichnet, geschrieben, gemalt oder dreidimensional aus gefundenen Materialien gebaut, die sich scheinbar zu nichts mehr eigneten – das hat sich hier in Sedimenten abgelagert, die eine erstaunliche Kunstentwicklung dokumentieren. Erkennbar wird die trotzige Heiterkeit in den Installationen. Ob hochtechnische Vorgänge phantasievoll in Kunst verwandelt sind oder schalkhafte Bildtitel den Betrachter zu foppen scheinen, alles – selbst die bemooste Skulptur – erzählt von den Gefühlswelten seiner Schöpfer zwischen Harmoniebedürfnis und zornigem Aufbruch. Angesichts der Exponate werden sie wieder lebendig: die Autorengalerien, der »Herbstsalon«, die Kunstfeste mit der Anmutung von Happenings.

Diese Ereignisse bewegen noch mancherlei Erinnerung und harren der Wiederentdeckung und Aufarbeitung. Die Künstler, die damals zweitweise zusammen arbeiteten, hat der Zeitenwandel in alle Winde verstreut. In dieser Ausstellung jedoch, die zu besuchen Sie herzlich eingeladen sind, werden mehr als 40 Jahre künstlerischen Schaffens lebendig. So wird Atmosphäre spürbar und vielleicht auch durch den Abstand zur Gegenwart Zeitgeschichte neu verstanden.

Peter Krakow
Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Leipzig, im Vorwort des Kataloges zur Ausstellung